Betrachtungstext: 1. Mai – hl. Josef, der Arbeiter

Die Normalität der Heiligen Familie – Gut arbeiten und den anderen dienen – Die Arbeit zielt auf die Liebe hin

IM EVANGELIUM der heutigen Messe, am Gedenktag des heiligen Josefs des Arbeiters, hören wir, dass Jesus nach Nazaret zurückkehrte, nachdem er an verschiedenen Orten in Galiläa gepredigt und Wunder gewirkt hatte. Am Sabbat ging er in die Synagoge und wurde eingeladen, über das Wort Gottes zu sprechen. Da Nachrichten von Wundern und Heilungen, die er gewirkt hatte, sowie von seiner Lehre bereits in die Stadt gelangt waren, erwarteten ihn seine Mitbürger mit Neugierde. Und als Jesus spricht, reagieren sie misstrauisch. Sie fragen sich: Woher hat er diese Weisheit und die Machttaten? Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns? Heißt nicht seine Mutter Maria? (Mt 13,54-56)

Die Nachbarsleute in Nazaret waren gefangen in dem, was sie bereits von Jesus wussten. Es fiel ihnen daher schwer, sich auf die übernatürliche Ebene des Glaubens zu begeben. Andererseits ist ihre Reaktion eine Aussage über die Normalität des Lebens der Heiligen Familie. Sie waren in den Augen der Menschen eine gewöhnliche, hart arbeitende Familie, ohne Besonderheiten. Nichts an ihnen sprang in die Augen: Wie fast alle führten sie, so schrieb der heilige Josefmaria, „ein Leben der Arbeit tagein, tagaus, immer dasselbe, immer gleich eintönig“1.

Wir betrachten heute die Gestalt des heiligen Josef, und zwar insbesondere in seiner Dimension als Arbeiter. Was dabei als erstes hervorsticht, ist sein schlichtes Leben. „Was kann ein Mensch aus einem so winzigen Dorf wie Nazaret schon vom Leben erwarten?“, fragte der heilige Josefmaria. „Arbeit und immer wieder Arbeit, Tag für Tag, immer die gleiche Mühsal; ein Zuhause, ärmlich und klein, wo man nach der Mühe des Tages neue Kräfte sammelt für den nächsten Tag. Doch der Name ,Josef‘ bedeutet auf Hebräisch: ,Gott wird hinzufügen‘. Dem heiligmäßigen Leben jener, die seinen Willen erfüllen, verleiht Gott neue, ungeahnte Dimensionen: das Entscheidende, das, was allem anderen seinen Wert gibt, das Göttliche.“ 2 So war es im Leben Josefs und so ist es vielleicht auch in unserem Leben: Gott vertraut uns eine sehr große Aufgabe an, die in der Normalität unseres Alltags verborgen ist, und fügt unserer bescheidenen Mitarbeit seine Gnade hinzu.


NAZARET BESTAND aus einigen Häusern, die sich am Fuß eines Hügels eng aneinanderschmiegten, viele von ihnen waren teilweise in den Fels gehauen. Sie bildeten kaum mehr als ein Dorf. Hier dürften höchstens ein paar hundert Menschen gewohnt haben, die meisten von ihnen waren in der Landwirtschaft oder Viehzucht tätig. Es gab auch immer einen Handwerker, wie Joseph, der Holz möglicherweise für verschiedene Zwecke bearbeitete, von der Herstellung von Balken oder Türen für den Hausbau bis zur Fertigung von Werkzeugen für die Landwirtschaft und den häuslichen Bedarf.

Josef musste arbeiten, um seine Familie zu ernähren, aber nicht nur das. Gleichzeitig musste er, wie jeder von uns, arbeiten, um in Würde zu leben, in der Freude, sein Brot durch harte Arbeit verdient zu haben, und in der Freude, mit Gott an der Entwicklung der Welt um Nazaret mitzuwirken. Für ihn war die Arbeit eine Gelegenheit des persönlichen Wachstums und ein Band der Verbundenheit mit anderen.3 Jede Arbeit bringt der Gesellschaft einen Wert, da sie Güter produziert oder Dienstleistungen erbringt. Jede gut gemachte Arbeit ist immer eine Form des gesellschaftlichen Zusammenwirkens, der Hilfe für andere, der Verbesserung der Lebensbedingungen, kurz gesagt, sie ist ein Ausdruck der Fürsorge Gottes für jeden Menschen. Papst Franziskus formulierte es so: „Die Arbeit ist nichts anderes als die Fortsetzung des Werkes Gottes: die Arbeit des Menschen ist die Berufung, die der Mensch am Ende der Erschaffung des Universums von Gott empfangen hat.“4 Damit die Arbeit diesen Wert erhält, ist es natürlich notwendig, sie einerseits gut zu machen – auch wegen der Würde desjenigen, der aus ihr Nutzen zieht – und sie andererseits im Geiste des Gebens und Dienens auszuführen.

So sagte der heilige Josefmaria: „Die Tauglichkeit und berufliche Kompetenz in der eigenen Arbeit müssen vom Geist des Dienens getragen sein, von dem Wunsch, durch die eigene Arbeit zum Wohl der anderen Menschen beizutragen. Dies ist ein wesentlicher Zug in der Arbeit des heiligen Josef, und er sollte ebenso wesentlich in der Arbeit jedes Christen sein. Der heilige Josef war in seiner Arbeit nicht auf Selbstbestätigung aus, obwohl sein arbeitsreiches Leben aus ihm eine reife, profilierte Persönlichkeit gemacht hat. Josef arbeitete vielmehr im Bewusstsein, dass er den Willen Gottes erfüllte, und er hatte das Wohl der ihm Anvertrauten – Jesus und Maria – und aller Bewohner des kleinen Nazaret vor Augen. (…) Seine berufliche Arbeit war auf Dienst ausgerichtet, um den anderen im Dorf das Leben angenehm zu machen, und stets von einem Lächeln, einem freundlichen Wort oder einer beiläufigen Bemerkung begleitet, die demjenigen den Glauben und die Hoffnung wiedergab, der sie schon fast verloren hatte.“5


AUCH WENN das gemeinsame Leben mit Jesus und Maria für Josef sehr tröstlich war, blieben ihm die unvermeidlichen Härten des Lebens nicht erspart: der Zahn der Zeit, der seine Fähigkeiten mindern würde, das nicht immer einfache Zusammenleben mit den Nachbarn, die wirtschaftlichen Nöte, die sie vielleicht irgendwann durchmachten, die Gespräche mit ein paar Kunden, die zahlten, wann sie konnten ... Dieses normale und gewöhnliche Leben mit seinen Freuden und seinen Schwierigkeiten zu heiligen – dazu war der heilige Josef berufen.

Von den Gegenständen, die er mit seinen Händen geschaffen hat, ist nichts mehr da. Doch die Liebe, die er in diese Arbeit gesteckt hat, ist immer noch lebendig. Der heilige Josefmaria sagt: „Der Mensch soll sich nicht darauf beschränken, nur zu schaffen, herzustellen, anzufertigen. Die Arbeit wächst aus der Liebe, ist Zeichen der Liebe und zielt hin auf die Liebe.“6 Seine Liebe zu Jesus und Maria spornte den heiligen Josef zu intensiver Arbeit an; seine Liebe zeigte sich, fast unbewusst, in der Anstrengung und Sorgfalt, die er aufbrachte, um seine Arbeit gut zu tun; und dieselbe immense Liebe ließ ihn, in der Einheit des Lebens, daran denken, dass seine tägliche Arbeit auf die Sendung ausgerichtet war, die Gott ihm anvertraut hatte. Ist es die Liebe zu Gott und zu den anderen, die uns antreibt, hart und gut zu arbeiten, mit Ordnung, bis ins kleinste Detail, mit Konzentration und Intensität? Verwandeln wir unsere Arbeit in Gebet, indem wir sie dem Herrn in der Heiligen Messe aufopfern? Wissen wir uns bei ihrer Verrichtung von Gott begleitet? Fließt dieser kontemplative Geist in eine respektvolle, dienstleistungsorientierte, offene und freundschaftliche Beziehung zu den Menschen ein, mit denen wir in Kontakt kommen?

Wir vertrauen uns der Fürsprache unserer Mutter und des heiligen Patriarchen an, damit sie uns helfen, unsere Arbeit zu verbessern, sodass sie mehr und mehr zu einer Gelegenheit des Dienens wird.


1 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 44.

2 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 40.

3 Vgl. Franziskus, Patris corde, Nr. 6.

4 Franziskus, Predigt, 1.5.2020.

5 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 51.

6 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 48.