Die Weitergabe des Glaubens (1)

Der Charakter, die Persönlichkeit, die Gewohnheiten ... werden in der eigenen Familie geprägt; in ihr lernt man auch mit Gott Umgang zu pflegen. Die Aufgabe wird von Tag zu Tag notwendiger, wie in diesem Artikel dargelegt wird.

Jedes Kind ist ein Vertrauenserweis Gottes den Eltern gegenüber. Er vertraut ihnen die Sorge und die Führung eines Geschöpfes an, das zur ewigen Glückseligkeit berufen ist. Der Glaube ist das kostbarste Erbe, das man den Kindern weitergeben kann. Mehr als das, es ist das einzig wirklich Wichtige, weil es dasjenige ist, was dem Leben den letzten Sinn gibt. Außerdem überträgt Gott nie eine Aufgabe, ohne die unerlässlichen Mittel zu geben, um sie ausführen zu können. Und deshalb gibt es keine menschliche Gemeinschaft, die so gut für das Wurzelschlagen des Glaubens in den Herzen geeignet ist wie die Familie.

DAS PERSÖNLICHE ZEUGNIS

Die Glaubenserziehung besteht nicht bloß in einer Unterweisung, sondern sie vermittelt eine Lebensbotschaft. Auch wenn das Wort Gottes von selbst wirksam ist, wollte sich der Herr auf das Zeugnis und die Mittlerschaft der Menschen stützen, um es zu verbreiten: das Evangelium überzeugt dann, wenn man es lebendig vor Augen hat.

Das gilt besonders hinsichtlich der Kinder, die nur schwer unterscheiden können, was gesagt wird und wer es sagt; und das wirkt sich noch stärker aus, wenn wir an die eigenen Kinder denken, da sie nicht klar unterscheiden zwischen dem Vater oder der Mutter, die beten, und dem Gebet selbst. Mehr noch: das Gebet ist für sie darüber etwas besonders Wertvolles, Liebenswertes und Wichtiges, weil es ihr Vater oder ihre Mutter ist, die beten.

Aus diesem Grund besitzen die Eltern alle Voraussetzungen, um ihren Kindern den Glauben weiterzugeben. Gott erwartet von ihnen nicht so sehr Worte, sondern dass sie fromm und einfach sind. Ihr persönliches Zeugnis soll den Kindern immer ganz natürlich vor Augen stehen, ohne sie ständig belehren zu wollen.

Manchmal genügt es schon, wenn die Kinder sehen, wie froh die Eltern nach einer Beichte sind, um den Glauben in ihren Herzen zu festigen. Die Beobachtungsgabe der Kinder darf nicht unterschätzt werden, auch wenn sie scheinbar noch unreif sind. In Wirklichkeit sehen sie alles, was an ihren Eltern gut und was weniger gut ist. Alles, was sie tun oder unterlassen, enthält für sie eine Botschaft, die dazu beiträgt sie zu bilden oder zu verbilden.

Benedikt XVI. hat mehrmals gesagt, dass die tiefgehenden Veränderungen in den Institutionen und in den Menschen normalerweise von den Heiligen ausgelöst werden und nicht von den besonders Weisen oder Mächtigen: «Im Auf und Ab der Geschichte waren sie [die Heiligen] die wirklichen Erneuerer, die immer wieder die Geschichte aus den dunklen Tälern herausgeholt haben, in denen sie immer neu zu versinken droht, und immer wieder so viel Licht in sie brachten» i.

Etwas Ähnliches geschieht in der Familie. Man muss aber überlegen, welcher pädagogische Weg am besten für die Weitergabe des Glaubens geeignet ist, und sich gut vorbereiten, um ein guter Erzieher zu sein. Das Ausschlaggebende, um heilig werden zu wollen, ist jedoch das Beispiel der Eltern. Die persönliche Heiligkeit ist es, die einem hilft, die beste Erziehungsform zu finden.

"In jedem christlichen Milieu hat man mit dieser natürlichen und übernatürlichen Einführung in das Leben der Frömmigkeit innerhalb der Familie ausgezeichnete Erfahrungen gemacht. Das Kind lernt, seine erste tiefe Zuneigung Christus zu schenken, es lernt, Gott wie einen Vater und Maria wie eine Mutter zu behandeln; mit einem Wort: es lernt beten, indem es einfach dem Beispiel seiner Eltern folgt. Wenn man das sieht, begreift man, wie wichtig die apostolische Aufgabe der Eltern ist, und wie sehr sie verpflichtet sind, selbst aufrichtig fromm zu sein, damit sie ihren Kindern diese Frömmigkeit nicht nur erklären, sondern vorleben können" ii.

EIN VERTRAUENSVOLLES UND FREUNDSCHAFTLICHES KLIMA

Andererseits sehen wir, dass viele Jungen und Mädchen - vor allem in der Pubertät - im Glauben, den sie erhalten haben, schwach werden, wenn sie irgendeine Prüfung durchmachen. Diese Krisen können sehr unterschiedliche Ursachen haben – der Druck einer heidnisch gewordenen Umwelt; Freunde, die sich über religiöse Überzeugungen lustig machen; ein Professor, der in seinem Unterricht von einer atheistischen Sichtweise ausgeht oder Gott ausklammert –, aber diese Krisen werden nur dann stärker werden, wenn es den darunter Leidenden nicht gelingt, über das, was ihnen widerfährt, mit den richtigen Personen zu sprechen.

Es ist wichtig, den vertrauensvollen Umgang mit den Kindern zu ermöglichen. Sie sollen die Eltern immer bereit finden, ihnen Zeit zu widmen. Auch wenn sie scheinbar noch so rebellisch und eigenwillig sind, sehnen sich die Kinder im Grunde immer nach einem offenen, brüderlichen Verhältnis zu ihren Eltern. Der Schlüssel dazu liegt im gegenseitigen Vertrauen. Es setzt voraus, dass die Eltern ihre Kinder in einem Klima der Offenheit zu erziehen wissen und ihnen gegenüber niemals den Eindruck des Misstrauens erwecken, dass sie den Kindern Freiheit lassen und sie lehren, ihre Freiheit eigenverantwortlich zu gebrauchen. Es ist besser, die Eltern lassen sich einmal hintergehen, als dass sie Misstrauen zeigen. Die Kinder gestehen sich selbst beschämt ein, das Vertrauen ihrer Eltern missbraucht zu haben, und bessern ihr Verhalten. Lässt man ihnen dagegen keine Freiheit, und spüren sie, dass man ihnen misstraut, bedeutet das für sie einen ständ igen Anreiz zur Unaufrichtigkeit iii. Man muss nicht bis zur Pubertät zuwarten, um diese Ratschläge zu geben; man kann schon in sehr frühem Alter damit anfangen.

Das Gespräch mit den Kindern gehört zu den schönsten Dingen, die es gibt, und es ist der kürzeste Weg, um mit ihnen eine tiefe Freundschaft zu schließen. Wenn jemand einem anderen Vertrauen schenkt, entsteht eine Art Brücke gegenseitigen Gefallens, und man wird nur selten eine Gelegenheit versäumen, miteinander über die eigenen Sorgen und Gefühle zu sprechen. Abgesehen davon ist es ein Weg, um sich selbst besser kennenzulernen. Auch wenn es Altersstufen gibt, in denen es schwieriger sein mag als in anderen, dieses Naheverhältnis zu den Kindern zu schaffen, so dürfen die Eltern doch nicht in ihrem Bestreben nachlassen, Freunde ihrer Kinder zu werden, Freunde, denen sie ihre Sorgen anvertrauen, mit denen sie ihre Probleme besprechen und von denen sie eine wirksame und wohltuende Hilfe erwarten können iv.

In dieser freundschaftlichen Atmosphäre hören die Kinder, wie von Gott in liebevoller und anziehender Weise gesprochen wird. All das setzt voraus, dass die Eltern Zeit finden, um mit ihren Kindern zusammen zu sein, und das auf eine „qualitätsvolle“ Art und Weise. Das Kind muss spüren, dass uns seine Dinge mehr interessieren als unsere sonstigen Sachen. Das bedeutet, dass man tatsächlich handeln muss, wobei die jeweiligen Umstände nicht dazu führen dürfen, diese Handlungen zu unterlassen oder immer wieder aufzuschieben: zum Beispiel den Fernseher oder den Computer abschalten, oder eindeutig nicht auf sie achten, wenn uns der Sohn oder die Tochter ansprechen und wir merken, dass sie mit uns reden wollen; die Arbeit nicht zu lange ausdehnen; Möglichkeiten zur Erholung oder zur Unterhaltung schaffen, die das Gespräch und das Familienleben erleichtern, usw.

DAS GEHEIMNIS DER FREIHEIT

Wenn die persönliche Freiheit mitbeteiligt ist, tun die Menschen nicht immer das, was für sie gut ist oder was wegen der von uns eingesetzten Mittel zu erwarten wäre. Manchmal werden die Sachen gut gemacht, gehen aber – zumindest scheinbar - schlecht aus. Da hilft es wenig, sich selbst oder anderen die Schuld an diesen Ergebnissen zuzuschieben.

Am vernünftigsten ist es zu überlegen, wie man selber besser erzieht und wie man anderen hilft, es ebenfalls zu tun. In diesem Bereich gibt es keine Zauberformeln. Jeder hat seine eigene Wesensart, die ihn die Dinge auf unterschiedliche Art erklären oder angehen lässt. Etwas Ähnliches kann man von den Zöglingen sagen, die unterschiedliche Interessen und Gefühle haben, auch wenn sie in einer ähnlichen Umgebung leben.

Diese Unterschiedlichkeit ist aber kein Hindernis. Sie führt vielmehr dazu, dass sich das Betätigungsfeld der Erziehung ausweitet, weil sie dazu führt, dass die Erziehung einerseits in einer wirklich persönlichen und nicht schablonenhaften Weise erfolgt, und das Eingehen auf das Temperament und den Charakter der verschiedenen Kinder andererseits unterschiedliche Erziehungsformen empfiehlt.

Auch wenn der Glaubensweg etwas ist, das zu den persönlichsten Angelegenheiten gehört, die es gibt, weil es das innerste Wesen des Menschen, nämlich die Beziehung zu Gott betrifft, können wir helfen, ihn zu gehen. Genau das ist die Erziehung. Wenn wir die Wesensart jedes einzelnen Kindes in unserem persönlichen Gebet in Ruhe bedenken, wird uns Gott Licht schenken, um das Richtige zu tun.

Die Glaubensweitergabe ist nicht so sehr eine Frage der Strategie oder der Vorausplanung, sondern möchte es jedem leichter machen, den Plan Gottes für sein Leben zu entdecken. Sie hilft ihm, selbst zu erkennen, was und worin er sich verbessern muss, da wir letztlich niemanden ändern können. Die Kinder ändern sich, weil sie es wollen.

VERSCHIEDENE DINGE, DIE ZU BEACHTEN SIND

Es ließen sich verschiedene Punkte anführen, die für die Glaubensvermittlung sehr wichtig sind. Ein besonders wichtiger ist jedenfalls das Frömmigkeitsleben innerhalb der Familie, die Nähe zu Gott im Gebet und in den Sakramenten. Wenn die Eltern es nicht “verheimlichen" – was sie manchmal unbewusst tun –, dann zeigt sich dieser Umgang mit Gott durch Handlungen, die ihn auf eine ganz natürliche Weise in der Familie gegenwärtig sein lassen und die die Selbständigkeit der Kinder nicht einschränkt. Das Tischgebet, oder das gemeinsame Morgen- und Abendgebet mit den Kleinen, oder ihnen beibringen, sich an die Schutzengel zu wenden, oder liebevolle Aufmerksamkeiten der Jungfrau Maria zu erweisen, sind einfache Wege, um die Frömmigkeit der Kinder zu fördern. Oft gibt man ihnen damit ein Rüstzeug für das ganze Leben.

Ein anderes Hilfsmittel ist die Lehre. Eine Frömmigkeit ohne Glaubenslehre ist wegen der intellektuellen Hetzjagd, der die Kinder im Laufe ihres Lebens ausgesetzt sind oder sein werden, sehr verwundbar. Sie benötigen eine gründliche apologetische und auch praktische Glaubensbildung.

Auch auf diesem Gebiet ist es natürlich wichtig zu wissen, wie die Besonderheiten der jeweiligen Altersstufe zu berücksichtigen sind. Oft kann ein Gespräch über aktuelle Ereignisse oder ein Buch eine gute Gelegenheit sein, mit den älteren Kindern über die Lehre zu sprechen (sofern sie sich nicht selbst mit Fragen an uns wenden).

Für die Kleinen ist die in der Pfarre oder in der Schule angebotene katechetische Ausbildung eine sehr gute Gelegenheit. Wiederholen die Eltern die Themen, die im Unterricht behandelt wurden, oder erklären sie ihnen vielleicht zu kurz gekommene Punkte des Katechismus auf eine ansprechende Weise, führt das dazu, dass die Kinder wegen des liebevollen Interesses der Eltern für diese Dinge begreifen, wie wichtig das Studieren der Lehren Jesu ist.

Ein anderer bedeutsamer Punkt ist die Anleitung zu den Tugenden, denn wenn die Kinder Frömmigkeit und Glaubenskenntnis, aber wenige Tugenden besitzen, denken und empfinden sie schließlich so, wie sie leben, und nicht wie es ihnen der durch den Glauben erleuchtete Verstand oder der durch das Nachdenken angenommene Glaube eingibt. Die Tugendbildung verlangt, darauf hinzuweisen, wie wichtig die persönliche Anstrengung, der Einsatz bei der Arbeit, die Großzügigkeit und die Mäßigung ist.

Die Erziehung zu diesen guten Verhaltensweisen veranlasst den Menschen über die materiellen Wünsche hinauszugehen; es lässt ihn die Dinge deutlicher sehen und macht ihn fähiger, die geistigen Wirklichkeiten zu verstehen. Wer bei der Erziehung seinen Kindern wenig abverlangt, ihnen nie „nein“ sagt und alle ihre Wünsche zu befriedigen versucht, der verschließt ihnen den Zugang zu den geistigen Dingen.

Diese Nachgiebigkeit kann ihren Ursprung in der Zuneigung haben, aber auch im Bestreben sich die Anstrengungen zu ersparen, die erforderlich sind, um die Kinder besser zu erziehen, ihren Wünschen Grenzen zu setzen und ihnen beizubringen, dass sie gehorchen und geduldig sein sollen. Da die Anziehungskraft des übersteigerten Konsumverhaltens zwangsläufig ungebremst ist, führt es die in diesen Irrtum geratenen Menschen zu eigensinnigen und launenhaften Lebensstilen und bringt es sie in eine Spirale der Bequemlichkeitssuche, die immer einen Mangel an menschlichen Tugenden und an Interesse für die Angelegenheiten der anderen bedeutet.

Wer in einer Welt aufwächst, in der alle Launen erfüllt werden, dem fällt es sehr schwer, ein geistliches Leben zu führen. Die Seele wird gewissermaßen von der Wurzel her unfähig gemacht für die Hingabe und die Bindung.

Ein weiteres Problem, das beachtet werden muss, ist die Umwelt, weil sie sehr stark die Meinung beeinflusst. Wir alle kennen Kinder, die zu einer gesunden Frömmigkeit erzogen und dann von einem Umfeld mitgerissen wurden, auf das sie nicht ausreichend vorbereitet waren, um mit ihm zurechtzukommen. Deshalb muss man darauf achten, wo die Kinder ihre Erziehung erhalten, und eine Umgebung schaffen oder suchen, die das Wachstum des Glaubens und der Tugend ermöglichen. Das ähnelt dem, was in einem Garten geschieht: nicht wir bringen die Pflanzen zum Wachsen, aber wir können sehr wohl die dazu nötigen Mittel beisteuern, wie Dünger, Wasser usw. – und ein für das Wachstum geeignetes Klima.

In diesem Sinn hat der heilige Josefmaria einigen Eltern geraten: „ trachtet danach, ihnen gutes Beispiel zu geben, eure Frömmigkeit nicht zu verbergen und in eurem Verhalten rein zu sein: dann werden sie lernen, und sie werden eure Krone in euren reifen Jahren und im Alter seinv.

A. Aguiló

i Benedikt XVI., Ansprache bei der Vigil mit den Jugendlichen auf dem Marienfeld, Weltjugendtag Köln, 20.8.2005.

ii Hl. Josefmaria, Gespräche, Nr. 103.

iii Hl. Josefmaria, Gespräche, Nr. 100.

iv Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 27.

v Hl. Josefmaria, Aufzeichnung von einem Beisammensein. 12.11.1972.