Der Geist des Opus Dei

Das Opus Dei hat in der Kirche die besondere Aufgabe, das Streben nach der Heiligkeit inmitten der Welt zu fördern. In der Folge sollen vier eng miteinander verbundene Merkmale seiner Spiritualität kurz beschrieben werden: Gotteskindschaft, Einheit des Lebens, Heiligung der Arbeit und doktrinelle Frömmigkeit.

Das Opus Dei dient in der Kirche dafür, die Suche nach Heiligkeit mitten in der Welt zu verbreiten, auch unter Priestern.

Gotteskindschaft

„Der Geist des Opus Dei gründet auf der Gotteskindschaft“, hat der heilige Josefmaria oftmals betont (Christus begegnen, Nr. 64). Die Taufe macht uns zu Kindern Gottes in Christus und gibt den Anstoß zu einem auf das Vertrauen auf die göttliche Vorsehung gründende Beziehung zum himmlischen Vater, zur Einfachheit im Umgang mit Gott und den anderen, zu einem tiefen Sinn für die Würde der Person und die Brüderlichkeit der Menschen, zu einer christlichen Weltliebe sowie zu Gelassenheit und Optimismus.

Die Bildung, die das Opus Dei erteilt, stärkt in den Gläubigen das lebendige Gespür dafür, dass sie in Christus Söhne bzw. Töchter Gottes sind. Dieses Bewusstsein der eigenen Gotteskindschaft prägt jede ihrer Handlungen und hilft ihnen, im Einklang mit der erhabenen Berufung zu leben, die sie empfangen haben (vgl. Eph 4,1).

Der heilige Josefmaria beschrieb das Bewusstsein der Gotteskindschaft zusammenfassend „als einen brennenden und aufrichtigen, zarten und zugleich tiefen Wunsch, Jesus Christus als seine Brüder, als Kinder Gottes des Vaters nachzuahmen und immer in der Gegenwart Gottes zu bleiben“; als ein Kindesbewusstsein, das dazu führt, aus dem Glauben an die Vorsehung zu leben, und das die gelassene und frohe Hingabe an den göttlichen Willen erleichtert.

Einheit des Lebens

„Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4,5) – so beschreibt der heilige Paulus die Realität des christlichen Lebens. Das Leben der Jünger Christi soll aus einem Guss sein. „Die Einheit des Lebens ist eine notwendige Voraussetzung für alle, die sich im Alltag ihrer Arbeit, ihres Familienlebens und ihrer Aufgaben in der Gesellschaft heiligen wollen“ (Freunde Gottes, Nr. 165).

Angesichts der Versuchung, den Umgang mit Gott von Arbeit, Familie und Gesellschaft zu trennen – die Konstitution Gaudium et spes (Nr. 43) nennt diese Trennung einen schweren Irrtum –, hat der heilige Josefmaria mit Nachdruck verkündet: „Es gibt keinen Widerspruch zwischen dem Dienst an Gott und dem Dienst an den Menschen, zwischen den Rechten und Pflichten eines Staatsbürgers und den Rechten und Pflichten eines Christen, zwischen der Arbeit für den Aufbau und das Gedeihen unserer irdischen Bleibe und dem Wissen, dass die Welt nur ein Weg ist, ein Weg zur Heimat des Himmels“ (Freunde Gottes, Nr. 165).

Die vom Opus Dei angebotene Bildung leitet dazu an, die Strukturen der Gesellschaft durch die Erfüllung der eigenen Pflichten auf Gott auszurichten; sich zu bemühen, immer „eine einfache und starke Einheit des Lebens aufrecht zu erhalten, in der alle unsere Handlungen verschmelzen und sich durchdringen“ (Worte des heiligen Josefmaria, zitiert in Vázquez de Prada, Der Gründer des Opus Dei, Bd. II, Köln 2004, S. 561).

Um diese Einheit des Lebens zu vertiefen, bedarf es des Vertrauens auf Gott und eines aufrichtigen Lebens: Gewissenserforschung und persönliche geistliche Leitung erweisen sich als notwendig. Dann wird es möglich, die Widersprüche zwischen dem Willen Gottes und dem eigenen Wollen und Tun zu überwinden.

Heiligung der Arbeit

Die Heiligung der Arbeit ist der Angelpunkt für die Heiligung inmitten der Welt nach dem Geist des Opus Dei. Sie ist auch, wie der heilige Josefmaria sagt, Bedingung sine qua non für das Apostolat. Es geht darum, viel zu arbeiten, und mit menschlicher und christlicher Vollkommenheit zu arbeiten. Gott will, dass wir uns um diese Welt kümmern, die aus seinen Händen hervorgegangen ist (vgl. Gen 1,27; 2,15), um alles Geschaffene zu ihm zu führen (vgl. Joh 12,32).

In erster Linie soll die Arbeit menschlich möglichst vollkommen verrichtet werden. Es muss mit Ordnung, Intensität, Beständigkeit und Kompetenz gearbeitet werden, im Geist des Dienens und der Zusammenarbeit mit den anderen.

Außerdem geht es um die christliche Vollkommenheit der Arbeit. Gott muss an erster Stelle stehen, denn die „berufliche Berufung“ ist wesentlicher Teil der göttlichen Berufung jedes Menschen (vgl. Freunde Gottes, Nr. 60). Wenn der Christ aus Liebe zu Gott und mit dem Wunsch arbeitet, seinen Brüdern, den Menschen, zu dienen, wird er die menschlichen Tugenden und besonders die Liebe üben. Auf diese Weise heiligt er sich nicht nur selbst, sondern er heiligt die eigene Arbeit, die so zu einem wahren Mittel der Heiligung wird.

Direkte Frucht der Einheit des Lebens und der geheiligten Arbeit ist das Apostolat. „Für den Christen ist das Apostolat eine Selbstverständlichkeit, nichts Nebensächliches, Äußerliches, das außerhalb seines täglichen Arbeitsbereiches und seiner beruflichen Arbeit läge“ (Christus begegnen, Nr. 122).

Doktrinelle Frömmigkeit

Der heilige Josefmaria lehrt, dass die Frömmigkeit das Heilmittel der Heilmittel ist. Er betont die Wichtigkeit einer tiefen, „doktrinellen“ Frömmigkeit, denn ohne eine angemessene Kenntnis in der Glaubenslehre läuft das Leben der Vertrautheit mit Jesus Christus Gefahr, oberflächlich, bloß äußerlich und sentimental zu sein.

Lehre und Frömmigkeit dürfen nicht voneinander getrennt werden. Der Christ braucht Lehre, um die Frömmigkeit zu nähren, und er braucht Frömmigkeit, um der Lehre Leben einzuhauchen. Dann stehen ihm, obwohl er von den Anforderungen des Alltags ganz in Anspruch genommen wird, ausreichende Reserven zur Verfügung, um sein Gebetsleben zu nähren und zugleich angesichts der mannigfachen Herausforderungen des gesellschaftlichen und beruflichen Lebens jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach dem Grund seiner Hoffnung fragt (vgl. 1 Petr 3,15). „Gib niemals dein Bemühen um Weiterbildung auf, auch wenn du schon vor Altersschwäche umfällst!“ (Die Spur des Sämanns, Nr. 538).